Umgang mit rechtsextremen SchülerInnen aus pädagogischer und
politikwissenschaftlicher Sicht
Idealtypische Phasen einer "rechtsextremen Karriere"
- Es gibt die "Einsteiger" in der rechtsextreme Szene, die
beginnen, rechte Ideen aufzunehmen über rechtsextreme Jugendcliquen und
deren Erlebniskultur.In dieser Phase haben erfahrungsgemäß PädagogInnen und
LehrerInnen Chancen, diesem Prozess, in dem sich die Jugendlichen befinden,
gegenzusteuern.
- Haben sich Jugendliche in der rechtsextremen Szene
etabliert, weisen ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild auf und sehen dort
ihre sozialen Bezugspunkte, ist es für Lehrkräfte sehr schwierig an die
rechtsextremen SchülerInnen heranzukommen. Die Auseinandersetzung mit den
Betroffenen ist in dieser Phase sehr schwierig. Zu diesem Zeitpunkt ist es
wichtig, klare Gegenpositionen zu beziehen und keiner sachlichen
Konfrontation zu scheuen. Ebenso wichtig ist es aber auch, potentielle Opfer
(migrantische SchülerInnen, alternative SchülerInnen) Schutz zu bieten und
bei Bedrohungsszenarien sich eindeutig auf die Seite der (potentiellen)
Opfer zu stellen.
- Jugendliche, mit denen sich verschiedene vertraute
Personengruppen (Eltern, LehrerInnen, FreundInnen) konsequent
auseinandersetzen, beginnen in vielen Fällen zu zweifeln. Das ist eine sehr
wichtige Zäsur in einer "rechtsextremen Karriere". Wenn sich Zweifel an der
Ideologie einstellen, kann für RechtsextremistInnen eine Auseinandersetzung
und eine schrittweise Distanzierung von der rechtsextremen Szene beginnen.
Möglicherweise kann daraus ein Ausstiegsprozess entstehen.
- Rückfälle, Höhen und Tiefen gibt es in allen Phasen. Der
Bruch mit einer autoritären Ideologie und einem vermeintlich
kraftschöpfendem Selbstbild ist schwierig für die Personen und vergleichbar
mit dem Ausstieg aus einer Sekte.
Reaktionsmuster auf rechtsextremen SchülerInnen
- Gerade am Anfang einer rechtsextremen Politisierung
neigen viele Angehörige, Pädagogen und LehrerInnen dazu, die Einstellungen
der Kinder und Jugendlichen als eine (pubertäre) Phase zu definieren
- Problem wird in der individuellen, adolezenten
Entwicklung gesehen und nicht in der Attraktivität der rechtsextremen
Ideologie für die SchülerInnen
- Reaktionen von PädagogInnen und LeherInnen sind sehr
unterschiedlich: vom beschämten Weggucken, Hilflosigkeit,
Verharmlosen, Zustimmung bei einzelnen Äußerungen, um die Beziehung nicht zu
gefährden bis hin zu einer ständigen Konfrontation mit den Äußerungen des
Kindes/ Jugendlichen
Voraussetzungen für eine inhaltliche Auseinandersetzung
Individuelle Ebene zwischen Lehrer und
rechtsextremen Schüler
- Behalten Sie die Entwicklung der Schülerin/ des Schülers
im Auge
- Sprechen Sie mit ihm über seine rechte "Gesinnung" oder
rechte Äußerungen
- Zeigen sie dem Schüler/ der Schülerin die Konsequenzen
seiner Ideologie/ seines Handelns auf
- Nehmen sie bei jüngeren SchülerInnen Kontakt zu den
Eltern auf und sprechen sie mit diesen darüber
- Bei den Auseinandersetzungen mit den SchülerInnen ist
auch immer das Beziehungsgeflecht Familie mit zu analysieren (Unterstützen
die Eltern den Jugendlichen, welche Ressourcen sind zu aktivieren?)
- Versuchen sie gemeinsam mit den Eltern Absprachen zu
treffen, Verweisen Sie diese ggf. an Beratungsstellen
- Fragen sie den Schüler/ die Schülerin was ihm oder ihr an
der Einstellung gefällt und setzen sie sich mit diesen Thesen auseinander
- Nicht moralisieren, sondern den eigenen Standpunkt
erklären (Beweggründe)
- Setzen sie rechtsextremen SchülerInnen klare Grenzen,
aber diskutieren sie mit ihnen darüber
- Vermitteln sie die Grenzen ruhig und sachlich, ohne
Vorwürfe und machen sie vertretbare Angebote
Auseinadersetzung mit Rechtsextremismus in der Klasse/ dem Kurs
- Gehen sie auch in der Klasse offensiv mit dem Thema um
- Thematisieren sie menschenfeindliche, rassistische und
antisemitische Argumentationen in verschiedenen Unterrichtsfächern
- Sprechen sie mit ihren KollegInnen nicht nur über den
einzelnen rechtsextremen Schüler, sondern über die Formen der
Auseinandersetzung im Unterricht
- Versuchen sie Rechtsextremismus und gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit fächerübergreifend zu thematisieren (Beispiel Musik
und das Besprechen einzelner rechtsextremer Liedtexte bzw. und musikalischer
Aufbau)
- Einigung darüber, inwieweit bei Störungen von schulischen
Veranstaltungen (Oberstufenpartys) vom Hausrecht Gebrauch gemacht wird
- Einigung darüber inwieweit rechtsextreme Zeichen und
Symbole an der Schule geduldet werden
- Verbote über Kleidungsmarken (Thor Steinar) sind dann
legitim, wenn eine inhaltliche Auseinandersetzung darüber stattfindet.
5 Punkte Plan für engagierte LeherInnen
1. Informationen sammeln
Infos über rechte Szene vor Ort recherchieren und
herausfinden, wer in welchem Maße rechtsextreme Orientierungen an ihrer Schule
vertritt oder vermittelt. Dazu gehört auch die Dokumentation rechtsextremer
Aufkleber und Schmierereien
2. Öffentlichkeit herstellen
Die Schulleitung und die SchülerInnen selber müssen darüber
informiert sein, was sich an der Schule vollzieht. Eine Dokumentation ist in
diesem Fall recht hilfreich.
3. Eigeninitiative ergreifen
Mit Unterstützung der Schulleitung können Aktionstage und
Projekttage zum Thema "Rechtsextremismusbekämpfung und Demokratieentwicklung"
initiiert werden
4. Dauerhaftes Engagement
Besser als einmalige Aktionen ist die Gründung einer "AG
Rechtsextremismus" oder "AG Demokratie" die zu diesen Themen arbeitet.
(Wichtig dafür ist es die richtigen Rahmenbindungen zu stellen)
5. Kooperationen eingehen
Eigenengagement ist gut, aber mit viel zeit und Energieaufwand
verbunden. Nicht selten kommt es vor, dass zwei Schulen einer Region unabhängig
einen Projekttag planen. Kooperationen helfen Kräfte bündeln und ein Netzwerk in
der Region zu erstellen.
Best case: Ein
zuständiger Lehrer, der an der Schule für die Bereiche gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit (Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Nationalismus
etc.) ansprechbar ist.
|